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[REZENSION] Erin Jade Lange: »Butter«


Erin Jade Lange
Butter

Originaltitel: Butter
Rowohlt
1. Auflage, 2014
Taschenbuch
Seiten: 331
ISBN: 978-3-499-21244-4

Der sechzehnjährige ›Butter‹ ist stark übergewichtig, Diabetiker und meistens allein. In der Mensa braucht er eine eigene Bank, sein Auto parkt auf dem Behindertenparkplatz und das Mädchen seiner Träume ist unerreichbar für ihn. Als er im Internet auf eine Liste stößt, in der ihm als wahrscheinlichste Zukunftsaussicht ein Herzinfarkt vorausgesagt wird, beschließt er zu handeln: Statt die anderen weiter über sich reden zu lassen, will er ihnen selbst etwas zum Reden geben! Auf seiner Homepage butterslastmeal.com kündigt er an, sich in der Silvesternacht vor laufender Kamera live zu Tode zu fressen. Er erwartet Spott oder vielleicht Mitleid. Aber das Gegenteil ist der Fall: Seine Mitschüler sind von Butters Plan begeistert und feiern ihn wie einen Helden. Und zum ersten Mal in seinem Leben hat er das Gefühl, wirklich dazuzugehören. Aber Silvester rückt unaufhaltsam näher – und für Butter gibt es kein Zurück mehr.

Selten war ich von einem Jugendbuch so hin- und hergerissen wie von diesem. »Düster, komisch, herzzerreißend und eindringlich« wird Publishers Weekly auf der Rückseite zitiert – und besser kann man dieses Buch auch kaum zusammenfassen.

Butter ist im Grunde ein ganz normaler Teenager: Er ist zum ersten Mal verliebt, er möchte von seiner Mutter nicht mehr ›Baby‹ genannt werden und er wünscht sich nichts sehnlicher als ein wenig Anerkennung. Außerdem ist er ein guter Zuhörer und spielt geradezu virtuos Saxophon.
Aber das alles bekommt nur der Leser mit, der Butter als Ich-Erzähler erlebt. Seine Mitschüler sehen in ihm einzig und allein den Fettwanst, der Unmengen an Essen in sich hineinstopfen kann und selten ein Wort sagt. Selbst als sie endlich auf ihn aufmerksam werden, erkennen sie den wahren Butter nicht. Butter dagegen weiß, dass die anderen keine echten Freunde für ihn sind und kann trotzdem nicht anders, als ihre Aufmerksamkeit zu genießen und sich darin zu sonnen.

So pendelte nicht nur Butter, sondern auch ich beim Lesen immer wieder zwischen Hoffnung und Enttäuschung, Freude und (Mit-)Leid. Ich wünschte Butter so sehr, dass die anderen ihn als den Jungen erkennen, der er ist, dass sie hinter seine 423 Pfund schwere Fassade schauen, allen voran Anna, für die er heimlich schwärmt. Gleichzeitig hoffte ich, dass er endlich auf die wenigen Menschen hört, die wirklich an seinem Wohl interessiert sind und dass seine Mutter endlich ein wenig Konsequenz zeigen möge. Kurzum: Ich wünschte mir die Rettung für Butter.

Gleichzeitig war es mir stellenweise wirklich unangenehm, weiterzulesen. Besonders bei den Beschreibungen von Butters Fressattacken verging mir selbst der Appetit und immer, wenn Butter einen neuen Gang für sein letztes Menü festlegte, lief es mir kalt den Rücken runter. Und trotzdem konnte ich das Buch nicht zur Seite legen, konnte nicht wegsehen. So schafft es Erin Jade Lange, dem Leser auch die zweite Seite der Medaille vor Augen zu führen: die Sensationslust der anderen, die ihren Ekel und ihr Mitleid hinter coolen Sprüchen und lockeren Wetteinsätzen verstecken und doch bis zum Schluss nicht daran glauben, dass Butter tatsächlich seine Henkersmahlzeit plant.

Insgesamt wirkt Butters Geschichte sehr authentisch, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. Der passende Schreibstil und Butters Galgenhumor schaffen eine zugleich bittere und hoffnungsvolle Stimmung, die den Leser nicht mehr loslässt.
Einziges kleines Manko war für mich das Ende des Buches, das für meinen Geschmack ein bisschen zu ›happy‹ war – aber selbst das wollte ich Butter dann einfach gönnen.

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7 Kommentare

  1. Huhu,
    sehr schöne Rezi 🙂
    Ich hab das Buch nun auch schon etwas länger auf der Wuli.. dabei macht deine Rezi richtig lust darauf es zu lesen 🙂

    LG ♥

    • Bei mir stand es auch schon länger auf der Wunschliste und ich hatte es dann zufällig bei Rebuy entdeckt und gedacht »Ach komm, das bestelle ich jetzt gleich mit«. War eine sehr gute Entscheidung, wie man sieht. 🙂

  2. Ich finde die Thematik gleichermaßen interessant wie abschreckend und weiß noch nicht, ob ich das Buch lesen möchte oder nicht. Dass es dir so gut gefallen hat, spricht allerdings sehr für das Buch. Ich glaube, wenn es mir irgendwann mal so wie dir zufällig günstig über den Weg läuft, werde ich es lesen. Wenn nicht, dann nicht 🙂

    • Ich kann mir gut vorstellen, dass das Buch deinen Geschmack trifft. »Fat Cat« und »Von Wahrheit, Schönheit und Ziegenkäse« hatten dir ja, wenn ich mich recht erinnere, auch ganz gut gefallen. Wobei »Butter« natürlich viel ernster ist. Aber ich kann das Buch nur empfehlen! 🙂

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