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[REZENSION] Ali Shaw: »Das Mädchen mit den gläsernen Füßen«


Ali Shaw
Das Mädchen mit den gläsernen Füßen

Originaltitel: The Girl With Glass Feet
Script5
1. Auflage, Januar 2012
Hardcover
Seiten: 397
ISBN: 978-3-8390-0131-8

Inhalt

»Niemand kann sie heilen, weil sie nicht krank ist. Das hier ist keine Krankheit. Das Glas ist jetzt ein Teil von ihr, wenn Sie so wollen. Wie Fingernägel oder die Haare auf ihrem Kopf.«

Seltsame Dinge gehen auf St. Hauda’s Land vor: Eigentümliche geflügelte Kreaturen schwirren umher, in schneebedeckten Wäldern versteckt sich ein Tier, das mit seinem Blick alles in Weiß verwandelt, im Meer sind wundersame Feuerwerke zu beobachten … und Ida Maclaird verwandelt sich langsam, von den Füßen aufwärts, zu Glas.
Nun kehrt sie an den Ort zurück, wo alles begann, in der Hoffnung, hier Hilfe zu finden. Doch stattdessen findet sie die große Liebe.
Meine Meinung
Dieses Buch fiel mir vor allem durch das hübsche Cover auf, das mich sofort magisch anzog. Als ich dann mehrere begeisterte Rezensionen dazu gelesen hatte, musste ich es einfach haben.
Und das Äußere ist wirklich etwas Besonderes: Nicht nur das Cover fängt die Stimmung super ein, auch der hübsche Silberschnitt und die schön gestalteten Kapitelanfänge passen gut zur Geschichte.
Nur die Geschichte selbst konnte mich leider nicht wirklich begeistern.

Als Leser erlebt man abwechselnd das Leben von Ida und Midas, den beiden Hauptfiguren des Romans, aber auch von Henry Fuwa und Carl Maulsen, die jeweils eine Nebenrolle spielen.
Ida ist vor Kurzem nach St. Hauda’s Land gekommen, um den merkwürdigen Einsiedler Henry Fuwa zu finden, da sie sich von ihm Hilfe erhofft. Henry, der weit draußen im Sumpf lebt, hält sich eine Herde kleiner geflügelter Rinder und erzählte Ida einst von einem Tier, das mit seinem Blick alles in Weiß verwandelt.
Der schüchterne und schweigsame Midas verdient sein Geld im Blumenladen seines Freundes Gustav und sieht die Welt am liebsten durch sein Kameraobjektiv. Doch Ida verändert alles. Sie dringt zu ihm durch und bringt ihn zum Reden.

Doch das ist auch schon fast alles, was man über die Figuren sagen kann. Für mich blieben sie die ganze Zeit sehr blass und ähnlich farblos wie die Insel selbst. Ida verwandelt sich immer mehr zu Glas, und das ausgerechnet jetzt, als sie sich in Midas verliebt hat. Ich hatte eine gefühlvolle Geschichte erwartet, doch von Gefühl war nicht viel spürbar. Weder Idas Verzweiflung und Angst noch die Liebe zwischen ihr und Midas kam bei mir an. Das führte einerseits dazu, dass ich die Geschichte sehr schnell als langatmig und nichtssagend empfand, und andererseits dazu, dass ich kein Mitgefühl für Ida oder Midas aufbringen konnte. Idas Schicksal war mir schlichtweg egal – und das ist nie ein gutes Zeichen für ein Buch.
Die Nebencharaktere wirkten auf mich wie Füllmaterial für eine Geschichte, die eigentlich keine Handlung hat. Sie bringen keine Lösungen, sondern führen die Handlung maximal ein wenig im Kreis. Dass sowohl Henry Fuwa als auch Carl Maulsen unglücklich in eine der Mütter der Hauptfiguren verliebt waren, fand ich außerdem übertrieben. Eine unglückliche Liebesgeschichte hätte es auch getan, zumal auch diese nicht wirklich viel mit der eigentlichen Handlung zu tun hatten.
Außerdem ging es für meinen Geschmack etwas zu oft um Sex. Ich habe normalerweise kein Problem damit, wenn das Thema in Büchern vorkommt, aber in dem Fall passte es für mich einfach überhaupt nicht zur Geschichte.

Das war auch schon das nächste und größte Problem, das ich mit dem Buch hatte: die zusammenhanglose Erzählung. Es werden sehr viele Dinge angesprochen – die geflügelten Rinder, das Tier, das alles in Weiß verwandelt, die Glasleichen im Sumpf, die sterbenden Quallen … – aber nichts davon hat irgendetwas mit der Handlung zu tun und man bekommt auch für nichts irgendeine Erklärung. Auch, was es mit Idas Glasfüßen auf sich hat, erfährt man nicht. Es ist einfach so und niemand weiß, warum. Am Ende ist man also genauso schlau wie vorher – sehr frustrierend.

Genauso verhält es sich mit den vielen Rückblenden in Midas’ Vergangenheit. Die fand ich zwar meistens etwas interessanter und vermutlich sollte der Leser so erfahren, warum Midas so ist, wie er ist. Aber auch das hatte für die Problematik mit Idas Glasfüßen keinen Mehrwert. Eigentlich geht es in dem Buch viel mehr um Midas und seine Beziehung zu seinen Eltern, als um Ida und ihre Füße. Und trotzdem reichte mir das Erzählte nicht aus, um Midas wirklich zu verstehen und nachvollziehen können. So werden beide Geschichten nur halb erzählt und keine konnte mich wirklich für sich begeistern.


Auch der Schreibstil konnte mich nicht überzeugen. Anfangs fand ich die langen, fast schon poetischen Beschreibungen noch ganz schön. Leider übertreibt es der Autor damit aber sehr, denn so ziemlich das ganze Buch ist eine einzige Beschreibung. Beim Lesen merkte ich immer wieder, wie ich ins Überfliegen verfiel, weil während der Beschreibungen einfach nichts passiert. Der Autor malt mit seinen Worten wunderschöne Bilder, die hin und wieder ja auch ganz nett sind, aber auf Dauer war ich davon genervt. Ebenso von den unrealistischen, gequälten Dialogen und den ständigen Ergänzungen in Klammern. Auch die unzähligen Ortsnamen, die ich teilweise nicht einmal auszusprechen wüsste, konnte ich mir nicht merken und mit den Beschreibungen in Verbindung bringen.

Die Stimmung in der Geschichte ist durchgehend sehr melancholisch und oft fast schon depressiv. Es gibt kaum Höhepunkte oder erfreuliche Ereignisse. Dass sich dabei keine Spannung aufbaut, muss wohl nicht extra gesagt werden.
Das Ende des Buches fand ich dann wieder recht gut. Es ist in sich stimmig und traurig-schön, aber das konnte es für mich dann leider auch nicht mehr rausreißen.
Fazit
Ein wahrer Augenschmaus, der bei näherem Hinsehen leider wirklich nur mit seinem Äußeren überzeugen konnte.

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9 Kommentare

  1. Schade…ich war schon kurz davor es zu kaufen, wollte aber erst noch ewarten wie du es finden würdest, aber nun werde ich es mir selbstverständlich nicht mehr kaufen.

  2. @Luise: Es ist Geschmackssache. Die Idee hinter der Geschichte fand ich toll, aber die Umsetzung hat mich leider überhaupt nicht überzeugt. 🙁

    @Glückskind: Es beruhigt mich, wenn ich nicht die Einzige bin, die das Buch nicht so umwerfend fand. Vorher hatte ich wirklich NUR total positive Rezensionen gelesen und mich dann schon gefragt, ob ich zu pingelig bin.

  3. Toll formuliert, auch wenn ich nicht zustimmen kann – ich fand's toll 😀 Mal was anderes! Aber dieses Werk ist wirklich Geschmackssache, ganz eindeutig.
    Ich frage mich nur, warum du noch 3 Punkte gegeben hast, wenn es dich doch so wenig begeistern konnte? 😉

  4. Drei Eier heißt bei mir "kann man lesen, muss man aber nicht gelesen haben". Für weniger muss ein Buch schon wirklich schlecht sein und das kommt mir zum Glück eher selten unter. Außerdem kann man bei dem Buch ja fast schon ein Extraei für die Gestaltung vergeben. 😉
    Bei mir hat das Buch halt nur Erwartungen geweckt, die es hinterher nicht erfüllen konnte. Ich finde einfach, dass man aus der Geschichte so viel mehr hätte machen können.

  5. Claudia sagt

    Hab mich zufällig mit der Steffi drüber unterhalten, als ich das letzte Mal in NM war, und sie meinte, dass der Julia das Buch auch nicht sonderlich gefallen hat. Bist also nicht alleine 😉

  6. Sehr gut. Dann bin ich beruhigt. 😉
    Meiner Mutter ist übrigens neulich aufgefallen, dass du nicht mehr in NM arbeitest. Du stehst unter Beobachtung. 😀

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