
Alles, was wir geben mussten
Originaltitel: Never Let Me Go
btb
1. Auflage, 2006
Taschenbuch
Seiten: 348
ISBN: 978-3-442-73610-2
Inhalt
Auf den ersten Blick scheint Hailsham ein ganz gewöhnliches englisches Internat zu sein. Doch die Jungen und Mädchen, die hier wohnen und zu Kreativität erzogen werden, sind für eine besondere Zukunft ausersehen: Zugunsten der modernen Medizin sollen sie zu »Spendern« werden. Nur dafür existieren sie.
Noch Jahre später erinnert sich Kathy, die inzwischen Betreuerin ist und bald ebenfalls zum Spender werden soll, an ihre Zeit in Hailsham zurück und ganz besonders an ihre Freunde Tommy und Ruth, mit denen sie einst ihr Leben teilte.
Meine Meinung
Wenn man dieses Buch in die Hand nimmt und die Pressestimmen auf Cover und Rückseite liest, kommt man zu der Ansicht, man müsse einen Jahrhundertroman vor sich haben, der ein absolutes Leseerlebnis ist und einen nie wieder loslassen wird.
Nimmt man das Buch in die Hand und fragt mich nach meiner Meinung, wird man eher den gegenteiligen Eindruck bekommen. Denn ich war nach dem Lesen ziemlich ernüchtert.
Die Geschichte wird von der Ich-Erzählerin Kathy erzählt. Sie hat ihre Kindheit und Jugend in Hailsham verbracht und erinnert sich nun an diese Jahre zurück. Dabei spricht sie den Leser oft direkt mit »Sie« an, so als rede sie mit einem ihrer Spender oder einem anderen Betreuer, was ich normalerweise sehr interessant finde, hier aber eher als merkwürdig empfand, da sich vermutlich die wenigsten Leser mit der Rolle eines zu medizinischen Zwecken geklonten Menschen identifizieren können.
Das zweite Problem, dass ich mit dem Buch hatte, war der sehr verwirrende Anfang. Ich wusste zwar grob, worum es in dem Roman gehen sollte, aber Kathy erzählt, als wüsste der angesprochene Leser über alle Hintergründe bescheid. Begriffe wie »Spender« oder auch »Hailsham« werden anfangs mit keiner Silbe erklärt, sodass mir nach den ersten Seiten dicke Fragezeichen über dem Kopf standen. – Ein Zustand, der sich bis zur letzten Seite nur bedingt änderte.
Der Roman gliedert sich in drei Teile: zuerst Kathys Zeit im hailshamer Internat, danach das Leben in den »Cottages«, einer Art Zwischenstation für die Internatsabsolventen, und schließlich Kathys weiteres Leben als Betreuerin.
Im Grunde genommen beschäftigt sich Kathy aber die ganze Zeit über mit einem einzigen Thema: der Beziehung zu ihren Freunden Tommy und Ruth. Sie erzählt von Streitereien, Versöhnungen, Erlebnissen sowie der Liebe zwischen den beiden.
Bei ihren Erzählungen holt Kathy oftmals sehr weit aus und kommt erst einige Seiten später wieder auf das eigentliche Thema zurück, von dem sie erzählen wollte. Das mag zwar ihre Rolle als Erzählerin glaubhafter machen, hat mich aber auf Dauer einfach genervt. Ansonsten ist Kathys Erzählstil an vielen Stellen sehr langatmig und zudem so nüchtern, dass ich die ganze Zeit über weder einen Bezug zu ihr noch zu ihren Freunden aufbauen konnte. Auch schien mir die Freundschaft zwischen den drei Figuren wenig freundschaftlich, sondern eher wie eine Aneinanderreihung von Streitereien und gegenseitigem Miesmachen. Selbst als ihre Freunde nach ihren Spenden sterben, scheint Kathy kaum um sie zu trauern. Jedenfalls kam davon nichts bei mir als Leser an.
Vermutlich ist der nüchterne Stil absichtlich so gewählt, aber auf mich hatte er leider nicht die gewünschte Wirkung, denn das Buch konnte mich auf keiner der knapp 350 Seiten berühren.
Das Ende des Buches war dann ebenfalls eine ziemliche Ernüchterung, denn nach einer Auflösungsszene, die auf mich einen sehr konstruierten Eindruck machte, war ich mit dem Ausgang des Ganzen ziemlich unzufrieden. Am Ende hat das Buch bei mir mehr Fragen aufgeworfen, als es beantwortet.
Mir ist immer noch nicht klar, worum genau es in dem Buch gehen soll bzw. welche Aussage der Autor damit vermitteln wollte. – Ob man Menschen zu medizinischen Zwecken klonen darf? Dass man seine Zukunft selbst bestimmen sollte? Dass Freundschaft und Liebe im Leben wichtig sind und dass es aber dafür auch irgendwann zu spät sein kann?
Alle diese Themen kommen irgendwie im Buch vor, aber Kathy setzt sich mit ihrer Bestimmung meiner Meinung nach zu wenig auseinander, um sie wirklich als Hauptthema zu bezeichnen.
Ich war mit der Annahme an das Buch herangegangen, dass es sich mit dem Thema des Klonens und dem Leben der geklonten Menschen beschäftigen würde. Natürlich, in gewisser Weise tut es das auch, denn das Leben von Kathy und ihren Freunden wird ja von Anfang an von ihrem Zweck als Organspender bestimmt und ist davon genau vorgezeichnet. Aber eigentlich beschäftigt sich Kathy ausschließlich mit ihrer Beziehung zu Tommy und Ruth und den Erlebnissen, die sie mit ihnen und Hailsham verbindet, was alles andere in den Hintergrund treten lässt.
Fazit
Ein Buch, das sich durchaus gut und ohne Langeweile lesen lässt – wenn man nicht wie ich mit falschen Erwartungen herangeht.
Hab das Buch nicht gelesen, aber den Film gesehen. Und der hat mich ziemlich begeistert (meinen Freund nicht.)
Auch im Film wird man lange im Unklaren darüber gelassen, worum es eigentlich genau geht. Cathy (die fantastische Carey Mulligan – ich liebe sie!) ist auch im Film sehr nüchtern, gerade weil ihr halt alles irgendwie normal erscheint und sie nicht zu viel in Frage stellt. Auch der Film gibt nicht wirklich eine Meinung vor, gerade weil alles aus einer Perspektive mit etwas Abstand erzählt wird. Die Kinder aus Hailsham werden zu ganz normalen Teenagern, mit ganz normalen Teenie Problemen – nur dass sie eben in außergewöhnlichen Umständen existieren.
Meine Empfehlung: Film gucken! 🙂
Ja, so ähnlich ist es mit dem Buch auch. Die Kinder leben ein relativ normales Leben, bis auf die Frage nach ihrer Bestimmung, die nebenbei hin und wieder mal auftaucht.
Ich hätte mir trotzdem etwas mehr Emotionen gewünscht, auch wenn die Situation für Kathy normal ist. So ging das Buch einfach an mir vorbei. Es scheint den meisten Lesern ja besser zu gefallen, aber mir fehlte da einfach etwas.
Den Film werde ich mir aber in ein paar ruhigen Stunden vielleicht trotzdem mal anschauen. Danke dir für den Hinweis! 🙂