
Überleben
Originaltitel: The Compound
Oetinger
1. Auflage, Februar 2010
Hardcover
Seiten: 283
ISBN: 978-3-7891-4743-2
»So endet die Welt – nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern.« (T. S. Eliot)
Es ist 4.44 Uhr morgens und ich sitze hier mit meinem Macbook auf dem Schoß und verfasse Buchrezensionen.
Warum das um diese Zeit? – Ganz einfach: Gerade eben habe ich »Überleben« von S. A. Bodeen zu Ende gelesen.
In Anbetracht der Uhrzeit und der Tatsache, dass ich eigentlich vorhatte, schon vor über drei Stunden ins Bett zu gehen, müsste man nun eigentlich darauf schließen, dass »Überleben« ein ziemlich gutes Buch ist.
Ist es das?
Ich bin mir nicht sicher.
Inhalt
»Immerhin habe ich noch einen von euch.« Mit nur sieben Worten endete meine Kindheit. Ebenso wie der Rest der Welt.
Die Geschichte wird aus der Sicht des fünfzehnjährigen Eli erzählt. Sechs Jahre ist es her, dass er mit seiner Familie in einen unterirdischen Bunker flüchtete, den sein milliardenschwerer Vater bauen ließ. – Die einzige Rettung vor einem nuklearen Angriff auf die USA.
Doch zwei wichtige Teile seiner Familie fehlen: seine Großmutter, die er liebt, und sein Zwillingsbruder Eddy. Besonders der Verlust seines Bruders wiegt schwer auf Elis Schultern, denn er gibt sich die Schuld daran, dass Eddy es nicht rechtzeitig in den Bunker schaffte.
Das Leben, wie Eli es kannte, gibt es nicht mehr. Die Welt außerhalb des Bunkers hat aufgehört zu existieren. Doch das ist nicht alles. Zwar sind Eli und seine Schwestern in Sicherheit, doch das Leben im Bunker wird mit jedem verstreichenden Jahr unerträglich. Als dann auch noch die Lebensmittel knapp werden, scheint die Situation zu eskalieren und Elis Vater benimmt sich zunehmend merkwürdiger.
Eli wird klar: Er muss reagieren.
Meine Meinung
Das Buch beginnt relativ seicht, mit dem »Einzug« der Familie in den Bunker. Elis Sprache ist einfach und lässt sich sehr gut weglesen. Dennoch ist die beschriebene Situation anfangs reichlich verwirrend, da man als Leser erst nach und nach die Hintergründe und die Details erfährt. Nachdem man einige Kapitel lang häppchenweise mehr über das Leben im Bunker erfahren hat, das mittlerweile bereits sechs Jahre andauert, und man sich halbwegs ein Bild von Eli machen konnte, legt die Geschichte dann stetig an Geschwindigkeit zu. Eli beginnt, die Entscheidungen seines Vaters zu hinterfragen, sogar an der Wahrheit seiner Behauptungen zu zweifeln. Die Situation im Bunker spitzt sich zu und gipfelt schließlich im wahrsten Sinne des Wortes in einer Explosion.
An Spannung mangelt es dem Buch also nicht und der einfache Erzählstil trug ebenfalls viel dazu bei, dass ich das Buch an drei Abenden durchgelesen hatte.
Allerdings ist die Geschichte vorhersehbar. Ziemlich vorhersehbar. Im Grunde genommen fand ich nur wenige Überraschungen in der Story, das Geheimnis um den Bunker war mir schon beim Lesen des Klappentextes klar und das Rätsel, welches Eli am Ende des Buches lösen muss, hat man als aufmerksamer Leser sofort entschlüsselt. Zumindest den Teil, über den Eli selbst am längsten nachgrübelt.
Ein weiteres Minus sind die Bilder der Figuren und des Bunkers selbst, die mir einfach nicht klar vor Augen erscheinen wollten. Ich wusste bis zum Schluss nicht, welcher Charakter wie genau aussieht und auch von den Räumen des scheinbar riesigen Bunkers hatte ich keine Vorstellung.
Das alles hat mich allerdings weniger gestört. Man bastelt sich beim Lesen ganz automatisch eine eigene Vorstellung der Szenerie und im Grunde genommen ist ein genaueres Bild für die Handlung auch nicht notwendig.
Viel störender empfand ich die extrem skizzenhaften Charaktere, an die man kaum wirklich herankommt und die alles in allem ziemlich klischeehaft wirken. Da ist die Mutter, die ihrem Mann scheinbar hörig ist und alles mit sich machen lässt. Es gibt Lexie, die adoptierte große Schwester, die Eli nicht leiden kann und alles dafür tut, um von ihrem Adoptivvater geliebt zu werden, und Terese, die »kleine Miss Perfect«, die alles kann und immer die richtigen Entscheidungen trifft. Und da ist Eli, der stille Beobachter, der Berührungen fürchtet und seine Emotionen hinter einer Mauer aus langen Haaren versteckt, bis er gezwungen ist, etwas an sich zu ändern. Die Beweggründe der einzelnen Figuren werden selten wirklich klar, sie erscheinen unlogisch oder ändern sich so sprunghaft, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Am meisten gestört hat mich die Mutter, die zwischen der Rolle der starken Frau und dem Bild der verzweifelten, hoffnungslosen Kümmerfigur hin- und herspringt wie ein Flummi.
Nichtsdestotrotz stecken ein paar interessante Gedankengänge in dem Buch, die vor allem moralische und ethische Fragen aufwerfen. So wird beispielsweise das Thema aufgegriffen, ob man Menschen klonen darf oder wie weit ein Mensch gehen würde, wenn alle verfügbaren Nahrungsquellen versiegen. Der Atomkrieg wird jedoch kaum thematisiert, was beim Lesen des Klappentextes eigentlich zu vermuten gewesen wäre.
Die Handlung an sich rast ziemlich an einem vorbei, einzelne Situationen und Gedankengänge werden selten länger als ein Kapitel festgehalten – und jedes Kapitel ist nur ein paar Seiten lang. Viele Dinge werden nicht vollständig aufgelöst, sodass man die genauen Hintergründe nur als Mosaik mit vielen fehlenden Steinchen präsentiert bekommt.
Das Ende hinterlässt den Leser dann schließlich mit einem ziemlich mulmigen Gefühl im Bauch. Denn die letzte halbe Seite ist wirklich fies!
Fazit
»Überleben« ist kein gesellschaftskritischer Roman, der Kriege und Probleme anprangert. Stattdessen ist das Buch genau das, was auf dem Cover steht: ein Thriller.
Wer also keine tiefschürfende, hintergrundlastige Geschichte erwartet und wert auf einfache, schnelle Unterhaltung legt, kann sich mit dem Buch von S. A. Bodeen durchaus ein paar Stunden vertreiben. Bestenfalls im Dunkeln und bei Gewitter – für die richtige Stimmung.
Ein mulmiges Gefühl kann die Lektüre schon hinterlassen.